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Mapplethorpe insistiert aber auf den Penis und er insistiert auf den pornografischen Vorlagen, an denen er seinen Blick geschult hat. Die dort gefundenen Motive ging er, wie er dem Kritiker Mark Thompson sagte, "unter dem Blickwinkel der Beleuchtung, der Komposition und all der anderen Überlegungen an, die für ein Kunstwerk wichtig sind". Die Ästhetik der Darstellung, die aus diesem Vorgehen erwuchs, bezeichnet der Philosoph und Kunstkritiker Arthur C. Danto als "gleichzeitig dionysisch und apollinisch ". Die apollinische Seite erfuhr nun große Zustimmung durch das Publikum, das den strengen Klassizismus liebte, in dem Mapplethorpe seine "abartigen" Sujets inszenierte, von denen die 36 Senatoren sprachen, die 1990 gegen seine posthume, mit Besucherrekorden glänzende Ausstellung The Perfect Moment und deren Förderung durch das 'National Endowment for the Arts' zu Felde zogen. Bei der Entdeckung des männlichen Körpers in den achtziger Jahren durch die Werbe- und Life Style Fotografie, drehte diese freilich die Sachlage um: apollinisch war bei ihr das Sujet, dionysisch der Stil der Darstellung. Sie gab sich unbefangen, alltäglich und journalistisch, indem sie die Strassen- und Reportagefotografie beerbte und den Mann dabei als Athleten der klassischen Antike präsentierte - mit muskulöser Brust, breiten Schultern, flachem Bauch, schmalen Hüften und langen Beinen. Politisch besonders praktisch: Dieser Neoklassizismus schloss den schwarzen Mann, der im Zentrum von Mapplethorpes fotografischer und sexueller Faszination stand, weitgehend aus.
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