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Man mag argumentieren, es könne eine landestypische Fußballkultur schon der Globalisierung wegen, die den Fußball erfasst hat und beherrscht, nicht mehr geben. Das deutsche Team etwa ist eher das Aushängeschild einer offenen, multikulturellen Gesellschaft als das Spiegelbild eines teutonischen Kämpfer-Klischees. Ganz abgesehen davon, dass ihre Mitglieder längst nicht mehr nur in der heimischen Bundesliga spielen – und somit das Beste aller Welten beitragen können. In der russischen Elf verhält es sich anders. Die Ausflüge von Russlands Top-Spielern in den Westen gehören der Vergangenheit an: Igor Belanow, Europas Fußballer des Jahres 1986, spielte bei Borussia Mönchengladbach, Andrej Arshavin beim FC Arsenal – doch die heutige Spielergeneration bleibt der russischen Premjer-Liga treu. Geld gibt es dank der Mäzene und Firmen, die das Gros der Clubs unterhalten, auch in Russland zu verdienen. Zumal der Staat – auch wegen der WM im eigenen Land – alles tut, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die heutigen Spieler haben kaum einen Grund, die heimische Komfortzone zu verlassen. So bleibt die Hoffnung auf ein Talent, das es bei einem europäischen Spitzenclub schafft. Der russische Fußball krankt daran, dass die Spieler nicht leiden wollen. Ausgerechnet! Wie untypisch, denkt man mit Dostojewski. Aber es müssen ja nicht immer alle Klischees stimmen. Es reicht ja, wenn die WM ein anderes bestätigt: Sehr gastfreundlich sollen sie sein, die Russen. Das hat ja auch mit Seele zu tun. Es könnte schlechtere Voraussetzungen geben für eine gelungene WM.
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