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Genzken trifft den Nerv der Zeit. Denn globale Phänomene wie Terrorangst, Migration, die Virtualisierung der Realität spielen nicht nur in den Länderpavillons eine Rolle, sondern ebenfalls in der vom US-Star-Kurator Robert Storr zusammengestellten Schau im Arsenale. Und dabei geht es häufig darum, den Kopf mit visuellen oder sensorischen Reizen, statt mit Dokumentation oder theoretischen Diskursen zu erreichen. So inszeniert die Moskauer Künstlergruppe AES + F mit ihrem Video-Tryptichon The Last Riot im russischen Pavillon die letzten Tage der Menschheit wie ein Computerspiel. Zu den Klängen von Wagners Walkürenritt sieht man, wie sich Teenager aller Hautfarben auf verschneiten Berggipfeln gegenseitig mit Samurai-Schwertern hinrichten, ein wüster Krieg, bei dem jeder gegen jeden kämpft. Nichts erscheint hier mehr real, auch die Gewalt nicht. Die Landschaft ist eine 3-D Animation, in der Elemente aus verschiedenen Games miteinander verschmelzen und sich überlagern: asiatisch anmutende Städte, Märchenburgen, Karussells. Panzer rollen die Berge hinauf, Cruise Missiles steigen empor, Züge entgleisen, Flugzeuge stürzen vom Himmel. Die virtuelle Welt, die im vergangenen 20. Jahrhundert wie ein Organismus aus dem Reagenzglas geschaffen wurde, sei außer Kontrolle geraten, lassen die Künstler wissen. Und nun verlasse sie ihre angestammten Begrenzungen, absorbiere ihre menschlichen Schöpfer und mutiere zu etwas völlig Neuem. Dass die Vision von AES+F aussieht wie die Hollywood-Version von Samuel Huntingtons Kampf der Kulturen und die Ästhetik Caravaggios dabei auf die heroischen Posen des Stalinismus trifft, schürt allerdings altbekannte Ängste. Mit diesen Bildern im Hinterkopf könnte man auch ihre jüngste Arbeit als neo-konservatives Machwerk betrachten, das den drohenden Untergang des Abendlandes mit der provokanten Forderung nach neuem Heldentum verbindet.
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